BioNTech: Fulminante KI-Show in London
Die Mainzer BioNTech SE hatte zu einer Veranstaltung nach London geladen, um einen tieferen Einblick in den Werkzeugkasten der übernommenen InstaDeep zu geben, die als Pionier der künstlichen Intelligenz im Zusammenspiel mit den biologischen und medizinischen Fragestellungen von BioNTech mit neuen Technologieangeboten punkten will. Mit den vorgestellten Möglichkeiten positioniert sich BioNTech an der Spitze des Feldes.
Der Star des Nachmittagsevents von BioNTech und Instadeep – als „AI-Day“ für eine kleine Gruppe von Analysten, Journalisten und Branchenexperten in London zelebriert und über einen Livestream weltweit ausgestrahlt – war nicht der CEO von BioNTech, Ugur Sahin, sondern der aus Tunesien stammende Mitgründer und CEO von Instadeep, Karim Beguir. In einer perfekten Inszenierung, die die Begeisterung über die neugeschaffenen Werkzeuge und Möglichkeiten auch über den Livestream transportierte, wurde eine Fülle von neuen Modellen der generativen KI (genAI) vorgestellt, die in ganz unterschiedlichen Bereichen der Biologie und Medizin, der Forschung und der Entwicklung eingesetzt werden können.
Das Kernelement der in den vergangenen Monaten im InstaDeep-Team entwickelten KI-Modelle ist eine neue Berechnungsmethode, die sich „Bayesian Flow Networks“ (BFN) nennt und nun für diverse Anwendungen ausgestaltet und optimiert wurde. Das bedeutet, dass viele öffentliche Daten genutzt wurden, um die KI zu trainieren und sie nun für bestimmte Fragestellungen mit weiteren speziellen Daten, etwa auch eigenen Daten von Nutzern, zur Optimierung und Analyse bereitsteht.
Die neuen KI-Modelle drehen sich dabei um bessere Annotationen von Genomsequenzen, das Aufspüren von Spleißstellen, die Promotorensuche und vielen mehr, um dem noch immer großen Bereich des unerforschten Genoms auf die Spur zu kommen. Eine andere Anwendung nennt sich protBFN und konkuriert offen mit den weitverbreiteten Alphafold-Strukturvorhersagen. Diese beruhen aber mit der KI-Architektur von DeepMind und ChatGPT auf einer anderen Basis des Verständnisses von molekularen Zusammenhängen und Bedingungen als dies von InstaDeep und BioNTech durch ihre BFN-KI-Methode verwendet wird. Einer der vielen InstaDeep-Forscher, die auf dem Event einzelne Teile der Technologien vorstellen konnte, nannte den wesentlichen Unterschied: „Beliefs in data“. BFN würde eine höhere Sicherheit in der Interpretation der Datenpunkte und ihrer Vernetzung abgeben, als andere Modelle.
Die Anwendungen kennen dabei überhaupt keine Grenzen mehr und sind in einer intuitiv zugänglichen Nutzeroberfläche dem Nutzer überlassen, diese immer weiter zu verschieben. Ob es um die Optimierung einer Antikörperbindungsstelle geht, die Identifikation solcher Bindungsstellen, die Vorhersage von individuell zusammengekoppelten Ketten im Antikörper und ihre physikalischen Eigenschaften – die implementierten Werkzeuge in der Insta-Wundertüte halten den Nutzer immer auf dem optimalen Weg. An dieser Stelle konnte sich schließlich auch Ugur Sahin nicht mehr zurückhalten, der die spannenden Präsentationen als normaler Zuhörer im Publikum genoss. Er machte mit einem Zwischenruf deutlich: „Wir sind mit diesen Werkzeugen näher dran, als die Natur selbst arbeitet.“ Damit war gemeint, dass das, was die Natur über viele Millionen Jahre in der Evolution durch Ausprobieren und Optimieren und neue Wege gehen vormacht, könne man mit der DeepChain genannten Plattform nun selbst durchexerzieren: eine Evolution am Computer. Die Technologie auf die Identifizierung von neuen Wirkstoffen anzuwenden, liegt nahe und wird von BioNTech bereits bei der Auswahl und Optimierung von mRNA-Molekülen, die für Antikörper kodieren, die im Organismus hergestellt werden sollen, genutzt. Doch dort hört das Feld der Möglichkeiten nicht auf.
Denn damit setzt sich BioNTech mit der für rund 400 Mio. Euro gekauften InstaDeep auch an die Spitze der Bewegung im Bereich der Synthetischen Biologie und behält dabei die KI-Werkzeuge nicht für sich alleine. Mit dem mit großem Selbstbewusstsein vorgetragenen Selbstverständnis, nun selbst den State-of-the-art in der KI zu definieren, öffnet sich BioNTech/Insta zugleich für die Forschergemeinde. Einerseits werden schlicht Rechnerkapazitäten angeboten, die Dritte zur Berechnung ihrer eigenen Daten mit den Insta-Tools nutzen können. Zudem bieten sich Biontech/Insta als Kooperationspartner an und nutzen ihrerseits auch weiterhin Kooperationen, sei es mit akademischen Partner wie der DTU, der Technischen Universität Dänemark, oder anderen Einrichtungen und Unternehmen, die auch neue Fragestellungen auf die Plattform stellen sollen, damit diese weiterlernen könne.
Auch eine künstliche Laborassistentin haben die Entwickler von InstaDeep präsentiert, Leila mit Namen. Diese kann einen ganzen Gerätepark der automatisierten Laborumgebung managen und zeigte in einer Zuschaltung aus dem Mainzer Forschungslabor bei BioNTech, dass ihr auch Humor beigebracht wurde: Nach getaner Arbeit sei nun Zeit für die Disco, hatte der Forscher zur Assistentin Leila gesagt, woraufhin die Beleuchtung der Mainzer Labore im Discorhythmus flackerten.
Mit dem Feuerwerk an KI-Tools und -Ideen hat BioNtech ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen und bestätigt, was ein früher Investor gegenüber |transkript von sich gegeben hat: „BioNTech, das ist nicht nur mRNA, Impfstoffe oder auch Krebs. BioNTech ist ein DeepTech-Unternehmen, das eine eigene Geschichte schreiben wird.“
Die Präsentation des AI-Days kann auf der Webseite von BioNTech heruntergeladen werden. Sie vermittelt nicht wirklich den Event als solches, der die Begeisterung des gesamten Teams am Erreichten live und im Video sehr viel stärker deutlich machte. Ab etwa Folie 32 geht es um die Technologie BFN und Anwendungen in der Biologie:
https://investors.biontech.de/static-files/18576d5e-1516-4ff4-8dd2-17fe8b841800